„Fassadenbrüche – Und irgendwie geht’s weiter“ Von Gabriele Günther – Rezension

Weiter geht’s . Und zwar irgendwie. So ist das Leben. Wie bereits angekündigt gibt es nach Gabriele Günthers hervorragenden Romandebüt „Fassadenbrüche“ (dazu meine Rezension) nun einen Anschlussroman.

Allerdings gibt es nach einem gelungenen Erstling in der Regel keine Garantie für Autoren abermals gleichermaßen Hervorragendes aufs Papier zu bringen.

Nicht zu unterschätzen ist dabei gewiss auch der psychische Druck, welcher – in diesem Falle – auf der Schriftstellerin beim Schreiben lastet. Und die Zweifel, die dabei auftauchen mögen.

Zumal ja nach Gabriele Günthers Romandebüt „Fassadenbrüche“ davon begeisterte Leserinnen und Leser sich geradezu eine Fortsetzung wünschten und einforderten.

Was, wenn diese Fortsetzung scheitert und die Leserschaft enttäuscht?

Liebe Leute, ich kann Entwarnung geben! „Fassadenbrüche – Und irgendwie geht’s weiter“ habe ich gerade ausgelesen. Und zwar noch schneller als den ersten Band. So spannend war die Handlung, dass gewusst werden wollte, wie es weitergeht.Wieder sind die Kapitel keine langen Riemen und somit schnell gelesen. Zack, und schon blättert man weiter … eins geht noch.

Langeweile kommt nicht auf. Ich fand auch, dass einzelnen berichtenden und die Gedanken der Protagonisten referierenden Kaptiel im neuen Buch dramaturgisch noch ausgefeilter daherkommen als im Vorgängerroman. Unerwartete oder beim Lesen geahnte und dann sich tatsächlich bestätigende Wendungen ergeben sich aus Irrungen und Wirrungen im Leben der Protagonisten. Die doch eigentlich alle nur glücklich leben, lieben und geliebt werden wollen.

Dabei haben ja einige der Protagonisten bisher durchaus ein erfülltes Leben hinter sich und es auch zu etwas gebracht, beziehungsweise haben zumindest bis dato geglaubt, dass es so ist oder gewesen sei. Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, wissen wir allerdings, dass wir alle zuweilen mehr oder weniger dazu neigen, uns selbst zu belügen. Das Leben zischt freilich dermaßen flugs dahin, dass wir oft gar nicht bemerken, dass so ist.

Hier soll noch einmal daran erinnert werden, dass das Personal des Romans jenseits der Fünfzig ist. Ein Alter ab dem Mensch nicht selten Bilanz zieht. Dabei kann unter bestimmten Umständen oder anlässlich von Ereignissen, welche einen ereilen, so manche Fehlstelle offensichtlich werden. Die Frage stellt sich plötzlich: Soll das alles gewesen sein? Und die Sehnsucht nach einem Neuanfang kann sich einstellen. Panikmodus: Achtung, letzte Ausfahrt! Und man gaukelt sich vor, dass der Neustart auch gelänge. Warum eigentlich nicht? Zu einem Neuanfang gehört aber auch der nötige Mut oder ist auch eine Portion Verzweiflung als Antriebsstoff nötig, welche die Angst vor einem solchen Schritt vernebelt. Ausgeblendet wird: Verpasstes Leben kann in der Regel nicht nachgeholt werden.

Schön allerdings, wenn einem unverhofft das Glück über den Weg läuft und man wieder Schmetterlinge im Bauch verspürt, wie weiland bei der ersten Liebe.

Doch kaum jemand bedenkt: „Jedes Glück ist flüchtig, ob es nun eine Woche anhält oder dreißig Jahre; man weint die gleichen Tränen, wenn der letzte Tag heranbricht, und würde um einen Aufschub seine Seele verkaufen.“ (Quelle: Amin Maalouf, buch The Rock of Tanios)

Wie im ersten Buch treffen wir abermals auf die uns bekannten Protagonisten: Katarina, Claudia, Johann, Sophie, Marie und Dirk. Näher werden jetzt Claudias Tochter Susan, Claudias Freund Berthold und Katarinas neue Liebe Matteo in den Fokus genommen. Matilda und Noah kommen neu hinzu und bewirken ihrerseits bewegende Veränderungen bzw. bringen Steine ins rollen. Glück, Freude, aber auch Enttäuschungen und bitterer Schmerz lassen uns als Leser nicht kalt. Wir freuen uns mit, leiden aber auch mit. Und, weil wir wissen, dass trockene Alkoholiker doch immer Alkoholiker bleiben, ahnen wir bange: Das Unheil wird seinen Lauf nehmen. Ein einschneidendes Ereignis – eine schwerwiegende Ent-Täuschung genügt, um abzustürzen.

Teuflisch, der Gedanke: Ach, das eine Glas Wein wird schon gehen.

Erinnert sich noch jemand an die erfolgreiche Fernsehserie „Lindenstraße“? Haben wir da nicht manchmal gedacht: Quasi alle nur möglichen Probleme in einer Straße? Ist das realistisch. Das war natürlich dramaturgisch bedingt. Und deshalb im Lindenstraßen-Kosmos konzentriert. Die von Hans W. Geißendörfer beackerten Themen, privater oder gesellschaftlicher Natur waren wichtig und real. Und letztlich hat uns Zuschauer diese Serie auch zu Denken gegeben. Letztlich ging es um das Leben, darum wie man damit zurecht kommt. Und das ist realistisch.

Realistisch ist auch das Leben der Protagonisten im Kosmos des Folgeromans von Gabriele Günther. Wir alle können Kenntnis von Menschen aus dem realen Leben haben, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Mögen diese Zeitgenossen auch auf ihren Grundstücken mit gepflegten Vorgärten, hinter den Fassaden ihrer Einfamilienhäuser oder jenseits der blank gewienerten Fenster ihrer Wohnungen auf eine anscheinend heile Welt deuten lassen. Jeder von ihnen hat sein Päckchen zu tragen. Und seine Leichen im Keller? Wie wird mit Einsamkeit umgegangen? Wie damit, wenn festgestellt werden muss, belogen worden zu sein? Was mir schon früh schwante: „Liebe und Hass liegen nahe beieinander.“ Im Roman wird das sehr deutlich. Eben „nicht nur im Beziehungsalltag, sondern auch im Gehirn, wie Wissenschaftler anhand von Scans nun belegen konnten. Beide Gefühle aktivieren teilweise die gleichen Hirnregionen.“ (Quelle: SPIEGEL)

Während im ersten Buch Fassaden Risse bekamen, der Putz bröselte, wanken nun bereits auch Mauern. Selbst die Beziehungen der Menschen untereinander, welche zurückliegend noch gemeinsam Silvester (im ersten Buch beschrieben) feierten, weisen aus den unterschiedlichsten Gründen Auflösungserscheinungen auf. Wir kennen das selbst: Wenn Freundschaften nicht gepflegt werden, aufgrund aufgetretener Animositäten, beziehungsweise aus Furcht vor Missverständnissen, schlafen sie ein.

Ja, irgendwie geht’s weiter. Aber meistens anders als man sich das denkt. Leben – zu leben – ist und bleibt nun einmal eine Herausforderung. Bei unserer Geburt werden wir sozusagen ungefragt ins Leben geworfen.

Foto: ©Claus Stille

Apropos Leben: Seien Sie auf den Schluss gespannt.

Der Verlag zum Buch

In „Fassadenbrüche – Und irgendwie geht’s weiter“ setzt Gabriele Günther die packende Geschichte fort und gewährt tiefere Einblicke in die komplexen Charaktere und ihre Geheimnisse. Atemlos begleiten wir sie durch ein Jahr voller überraschender Wendungen, Glück und Unglück, verheerender Entscheidungen und fataler Konsequenzen. Ein Roman über die nie endende Suche nach Liebe, Glück und Selbstverwirklichung. Er erzählt von den Zeiten des Übergangs, des Wartens, Hoffens und Loslassens und davon, wie sehr sich Liebe und Hass ähneln Seien Sie gespannt auf neue Wendungen, emotionale Momente und eine fesselnde Handlung, die Sie nicht mehr loslassen wird.

Einmal mehr ein spannendes Buch von Gabriele Günther. Was wird sie als nächstes schreiben? Man darf gespannt sein. Weiterschreiben, bitte!

Übrigens kam mir der Gedanke, ob diese beiden Bücher nicht auch Stoff für einen oder zwei Filme sein könnten.

Das Buch

Gabriele Günther

Fassadenbrüche – Und irgendwie geht’s weiter

Herausgeber ‏ : ‎ PROOF Verlag Erfurt; Neuauflage (1. Juni 2024)

16,90€

Zur Autorin

Foto: PROOF Verlag

Gabriele Günther, 1956 in Fürstenberg/Havel geboren, kommt mit vier Jahren nach Süddeutschland. Nach dem Besuch des Gymnasiums verbringt sie zehn prägende Jahre in Berlin. Sie lebt in dritter Ehe in Baden-Württemberg. Eine Tochter, ein Sohn, zwei Enkel.

Nach ihrem Berufsleben als Physiotherapeutin und Heilpraktikerin mit zwei eigenen Praxen widmet sie sich dem Schreiben. Ihre Inspiration: der ganz normale Alltag der deutschen Mittelschicht, Beobachten, Reden, Erleben, Zuhören, Mitfühlen, Nachdenken. Oder um Erich Kästners Fabian aufleben zu lassen: Die Fähigkeit, durch Wände in Wohnzimmer zu schauen, wäre nichts im Vergleich zur Fähigkeit, das Gesehene zu ertragen.

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